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Carpe Vitae - In Zeiten von Corona

Aktualisiert: 26. Mai 2020

Wir erleben gerade etwas sehr Besonderes miteinander. Etwas Unfassbares. Etwas was jeden einzelnen von uns sehr nahe kommt und betrifft. Ich dachte ehrlich gesagt, dass ein Wunder, oder ein Geschenk des Lebens, anders aussehen würde. Jetzt kann sogar jeder Blinde es sehen, obwohl es unsichtbar ist und sich ganz unbemerkt, auf leisen Sohlen, in unser Leben eingeschlichen hat.

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Und es kam in einem Augenblick in unser Leben, in dem jeder von uns auch selbst erahnte, dass wir an einem Punkt angelangt waren an dem eine Umkehr, eine dringende Änderung der Richtung, notwendig ist. Dieser geliebte, wunderschöne Planet und alles Leben auf ihm, braucht mehr denn je unsere LIEBE, verdient unsere Wertschätzung und Bewusstsein. Ich glaube , dass viele von uns vergessen haben was das wirklich ist. Was das wirklich bedeutet. Wir haben vergessen, wie man sich auf dieser Welt benehmen sollte. Vielleicht haben wir auch zu sehr den Verstand zum Chef aller Abteilungen werden lassen, sodass er unbemerkt zum Wächter unseres Herzens werden konnte - und so manchen Mut, so manche gute Idee und Zauber verhindert hat.


Mein 85jähriger Freund, der Mandelbauer Toni, sagte mir noch, kurz bevor unsere Freiheit in Urlaub ging, dass der Mensch nur das besitzen sollte was er wirklich braucht, denn ansonsten entstünden ihm sehr viele Probleme. Er selbst war ein Straßenkind als Mallorca nur von der Landwirtschaft lebte. Wer damals Land besaß, hatte wenigstens etwas zu essen. Er arbeitete hart bis er all die „Viviendas“ besaß, für die er heute noch weiter arbeiten muss, damit sie ihn, zum Glück seiner Nachkommen, überleben würden. Er würde es heute ganz anders machen, wenn er jetzt noch einmal die Chance dazu bekäme. Das richtige Maß finden. Nicht mehr wünschen, als man bedienen kann. Nicht mehr besitzen, als man braucht; das sei für ihn eine der wichtigsten Erkenntnisse seines Lebens. Maß halten, Balance finden; das sei die Meisterschaft. Seine Worte bewegten mich sehr und verlangsamten meinen viel zu schnellen Puls.


Toni kommt seit Wochen nicht mehr auf sein Land und ich kann mitfühlen, was das gerade für diesen alten Mann bedeutet. Er würde staunen, wenn er sehen könnte, dass seine geliebten Mandelbäume eine reiche Ernte für dieses Jahr versprechen. Die Bäume tragen mehr Früchte denn je. Ausgerechnet jetzt. Niemand von uns weiß derzeit, ab wann der Kalender seine alte Bedeutung wieder zurückerhalten wird und die tägliche Begrüßung durch das Murmeltier endlich sein Ende findet.. Für Toni ist es ein immenser Verlust, denn jeder gesunde Tag in seinem hohen Alter zählt; aber er will und kann nichts riskieren.


Wir alle erleben in unserer derzeitig so umzäunten „Freilebenszone“ , wie verletzlich dieses Leben und die Freiheit wirklich sind. So verletzlich, wie eine Armbanduhr ohne ihr Ziffernglas. Jeder wird auf seine Weise mit der aktuellen Situation konfrontiert und jede Sichtweise verdient dabei ihren Respekt. Ich habe mich mittlerweile dafür entschieden das Radio nun abzuschalten, die Stille auszuhalten und zu genießen, die in dieser Zeit viel zu sagen hat. Ich habe mich dafür entschieden nicht gegen die Realität zu „kämpfen“, sondern sie anzunehmen und mit ihr einig zu werden. Ich habe vollstes Vertrauen und weiß, dass ich damit nicht alleine bin. In meiner  Kindheit habe ich schon sehr früh lernen müssen, dass jede Krise einen stärker macht, dass Verluste relativ sind und es immer weitergeht; ob mit mehr oder weniger gelachten, oder geweinten Tränen. Was ich dabei ganz besonders erinnere sind vor allem die Menschen, die mir damals dabei geholfen haben, der Mensch zu werden, der ich heute bin. Wenn einige von ihnen wüssten, wie groß meine Dankbarkeit für sie ist und welche Früchte aus diesen Hilfen bis heute hervorgegangen sind.


Was braucht der Mensch wirklich? Was ist essentiell, wenn nichts mehr geht?  Eine Frage, die mich als Kind beim Lesen des Buchs „Die grüne Wolke“ von Alexander Sutherland Neill, sehr beschäftigt hatte. Eine Wolke, die alle Menschen versteinerte, die sie abbekamen. Corona hat uns bisher nicht zu Stein werden lassen. Dafür sind die Emotionen viel zu groß, die für so manches, lautes Stimmengewirr sorgen, in dem man sich allzu schnell verlieren kann, wenn man in diesen Tagen nicht nach „innen“ geht. Entwicklung besitzt seine ureigenste Dramaturgie. Je nach Belieben des Auslösers, hängt sie von der Angst, oder der Zuversicht ab, die man findet. Man kann sich dabei aber immer auf eines verlassen - auf die Zeit!  Denn was gestern einem noch, wie das „Aus“ vorkam, kann heute schon wieder ganz anders aussehen.

Die Schöpfungskraft, die Kreativität, die wir alle in uns tragen, ist unermesslich und überrascht in Momenten in denen wir uns manchmal ohnmächtig und zu nichts mehr imstande fühlen.


Die Herausforderung derzeit ist groß und stark, bringt Verluste auf allen Ebenen und fordert von uns allen ungefragt ihren Obolus. Allem voran appelliert sie jetzt besonders an unsere Menschlichkeit. Wir liegen jedoch nicht, wie die vielen toten Fische der Vergangenheit ausgetrocknet am Ufer, sondern schwimmen gemeinsam in einem gigantischen Ozean der Möglichkeiten. Mögen wir jetzt auch Masken tragen, die unsere Münder verdecken, so schauen doch noch unsere Augen in diese Welt und können die vielen Möglichkeiten entdecken, die dieses Leben und das Menschsein so wertvoll machen. Wir haben eine Chance erhalten uns eine neue Zukunft auszudenken in der jeder von uns eine wichtige Rolle einnehmen kann. Am Ende wird alles gut sein, - glaube und hoffe ich. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es zumindest für mich noch lange nicht das Ende. Carpe vitae!


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